Experte: Katholische Ostkirchen in Ökumene stärker wahrnehmen
Für eine verstärkte Wahrnehmung der katholischen Ostkirchen in der Ökumene hat einmal mehr der Wiener Ostkirchenexperte Prof. Thomas Mark Németh plädiert. Es gebe auch auf katholischer Seite gute Gründe, katholische Ostkirchen nicht als Brücken zwischen Orthodoxie und Katholizismus anzusehen. Sie hätten jedoch innerkatholisch eine wichtige vermittelnde Funktion, die auch für die Ökumene mit der Orthodoxie nicht zu unterschätzen sei - "und das könnte vielleicht auch ein akzeptabler Ansatz aus orthodoxer Sicht sein", so Németh am Freitag im Kathpress-Interview. Nachsatz: "Man muss auch eine dualistische Gegenüberstellung von katholisch und orthodox überwinden, denn die Beziehungen zwischen den Kirchen sind vielfältig."
Németh nahm vor Kurzem in Rom an einer ökumenischen Konferenz im Päpstlichen Orientalischen Institut teil, bei der Theologinnen und Theologen der katholischen und orthodoxen Ostkirchen aus Europa, dem Libanon und den Vereinigten Staaten zusammenkamen. Der Titel der Konferenz: "Die ökumenische Vision östlicher Katholiken im Dialog mit den Orthodoxen."
Für Kardinal Kurt Koch, den Präfekten des Dikasteriums für die Förderung der Einheit der Christen, war die Konferenz "ein wichtiges Zeichen der Hoffnung und des Vertrauens in der heutigen, von schrecklichen Kriegen gezeichneten Welt", wie er bei der Eröffnung sagte.
Und auch Németh, der an der Vorbereitung dieser Konferenz mitbeteiligt war, hob gegenüber Kathpress die Bedeutung dieser Veranstaltung hervor: "Die Konferenz war wichtig für den ökumenischen Dialog, denn sie widmete sich einem oft vernachlässigten Thema, dem Dialog zwischen der Orthodoxie und den Katholischen Ostkirchen." Németh ist Vorstand des Fachbereichs für Theologie und Geschichte des Christlichen Ostens an der Wiener Katholisch-theologischen Fakultät und Priester der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche. Zudem ist er Ko-Vorsitzender der "Orthodox - Eastern Catholic Dialogue Group" (OEC).
Neben guten Beispielen einer "Ökumene des Lebens" gebe es in letzter Zeit vermehrt positive Erfahrungen der Zusammenarbeit zwischen TheologInnen und anderen Fachleuten der betreffenden Kirchen, so Németh. Ein weiteres Beispiel: "Gerade die Migration von UkrainerInnen durch den Krieg Russlands führt Angehörige verschiedener Konfessionen zusammen, und wenn sie als Christen gemeinsam handeln, kann das auch relevant für die Kirchen sein."
Angesichts beidseitiger Wunden und Vorwürfe hob Németh die Bedeutung einer "Heilung von Erinnerungen" hervor. Es stelle sich die Frage nach "Möglichkeiten, Geschichte gemeinsam zu schreiben". Die Fixierung auf das Problem des Uniatismus erscheine für den Dialog zwischen den Kirchen heute jedenfalls vielfach überholt.
Katholischen Ostkirchen stünden innerkatholisch allerdings vor der Herausforderung, "Träger erwünschter theologischer Eigenart zu sein". Auch in der Ökumene müssten sie ihren Standort noch entwickeln, räumte Németh ein. Es wäre zugleich an der Zeit, sie als Subjekte wahrzunehmen. Auch könne der Dialog mit anderen Kirchen allseitig dazu beitragen, "ein kritisches Selbstverständnis zu entwickeln und Gemeinsamkeiten zu stärken".
Internationale Konferenz
Die Konferenz in Rom brachte Theologen aus verschiedenen Ländern, darunter Italien, Deutschland, Libanon, Österreich, USA, Frankreich, Ukraine, Ungarn und Rumänien, zusammen. Im Vordergrund der Beratungen stand die Situation in der Ukraine und im Nahen Osten.
Wie Kardinal Koch sagte, sei die Konferenz unter anderem auch deshalb Zeichen der Hoffnung, weil die orthodoxen Kirchen unter allen christlichen Kirchen und Gemeinschaften der katholischen Kirche am nächsten stünden: "Beide haben die eucharistische und bischöfliche Grundstruktur der Urkirche bewahrt und leben sie weiter", so der Kurienkardinal. Er betonte, dass die katholischen Ostkirchen "eine besondere Verantwortung in diesem ökumenischen Versöhnungsprozess haben", und zitierte das Konzilsdekret über die katholischen Ostkirchen Orientalium Ecclesiarium: "Die Ostkirchen, die in Gemeinschaft mit dem Römischen Apostolischen Stuhl stehen, haben die besondere Aufgabe, die Einheit aller Christen, insbesondere der Christen des Ostens, gemäß den Grundsätzen des von diesem heiligen Konzil verkündeten Dekrets 'Über den Ökumenismus' zu fördern", erinnerte Kardinal Koch.
Metropolit Job (Getcha) vom Ökumenischen Patriarchat zeigte in seinen Ausführungen am Beispiel der Dokumente "Fratelli Tutti" von Papst Franziskus und "Für das Leben der Welt" von Patriarch Bartholomaios die Gemeinsamkeiten in der Soziallehre der Kirchen im Blick auf Krieg, Frieden und die Achtung der Menschenwürde auf. Gleichzeitig stellte der Metropolit klar, dass die Lehre der Russisch-orthodoxen Kirche zu Krieg und Frieden dazu erhebliche Unterschiede aufweise, die zur Rechtfertigung des aggressiven Krieges Russlands gegen die Ukraine beigetragen hätten.
Die katholische Theologin und Ökumene-Expertin Prof. Theresia Hainthaler gab in ihrem Vortrag einen Überblick über die mehr als 50-jährige Geschichte des Dialogs zwischen der katholischen Kirche und den orientalischen Kirchen, hauptsächlich im Bereich der Christologie.
Souraya Bechealany, die frühere Generalsekretärin des Nahost-Kirchenrates (MECC) zeigte am Beispiel des MECC, der 27 Kirchen in acht Ländern vereint, wie der Dialog zwischen den Kirchen in einem regionalen Kontext funktioniert.
Die Konferenz wurde vom Institut für Ökumenische Studien der Ukrainischen Katholischen Universität Lemberg (Ukraine) in Zusammenarbeit mit dem Päpstlichen Orientalischen-Institut und mit Unterstützung der Vereinigungen Oeuvre d'Orient und CNEWA (Catholic Near East Welfare Association) veranstaltet.
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