Glaubenszeugnis indischer Christen auch für Österreich bedeutsam
Die indischen Christen, die zum Teil schon seit Jahrzehnten in Österreich leben, haben hier eine neue Heimat gefunden. Zugleich ist es wichtig, dass sie ihre eigenen kirchlichen Traditionen bewahren und pflegen. Das hat Großerzbischof Mar Raphael Thattil, Oberhaupt der Syro-Malabarischen Kirche, im Interview mit Kathpress betont. Der Großerzbischof besucht derzeit die Gläubigen seiner Kirche in Wien.
In Österreich leben zwischen 5.000 und 6.000 syro-malabarische Katholikinnen und Katholiken, bis zu 4.000 davon in Wien, wo mittlerweile zwei Gemeinden existieren. Größere Gemeinschaften gibt es auch in Graz und Innsbruck.
Insgesamt wirken in Österreich zugleich gut 50 syro-malabarische Geistliche, zum Großteil allerdings in römisch-katholischen Pfarren und Einrichtungen. Hier wäre es dem Großerzbischof wichtig, wie er sagte, mehr eigene Priester auch für die Seelsorge in den syro-malabarischen Gemeinschaften freizubekommen.
Eine Herausforderung sei auch die Weitergabe der eigenen Traditionen. Die jungen Leute hätten beispielsweise längst Deutsch als Muttersprache, und würden Malayalam, die Muttersprache ihrer Eltern und Großeltern oft nur schlecht verstehen bzw. sprechen. Das habe auch Auswirkungen auf das kirchliche Leben, so der Großerzbischof.
Er zeigte sich aber davon überzeugt, dass Österreich auf jeden Fall auch vom spirituellen Reichtum der Syro-Malabarischen Kirche profitieren könne. In diesem Sinne wolle er seine Kirchenmitglieder auch ermutigen, sich aktiv mit diesem Reichtum in Österreich einzubringen.
Heilige Qurbana im Stephansdom
Am Samstagnachmittag fand der Höhepunkt des Besuchs des Großerzbischofs in Österreich statt. Er stand im Stephansdom in Wien einem Gottesdienst im syro-malabarischen Ritus vor. An dem Gottesdienst nahm auch Kardinal Schönborn teil, der schon im Vorfeld das lebendige Glaubenszeugnis der syro-malabarischen Christen gewürdigt hatte.
Weltweit zählt die Syro-Malabarische Kirche rund 5 Millionen Mitglieder. In Indien gibt es 31 Diözesen, weitere vier in den USA, Kanada, Australien und Großbritannien. Doch auch in anderen Erdteilen ist die Kirche stark vertreten. Laut Großerzbischof Thatill würden allein in der Golfregion 500.000 syro-malabarische Arbeitsmigranten leben. Auch für diese wolle er eigene kirchliche Strukturen schaffen, so der Großerzbischof. Er habe dieser Tage auch mit Papst Franziskus darüber gesprochen, der diesem Anliegen positiv gegenüberstehe, wie der Großerzbischof sagte.
Liturgiekonflikt in der Kirche
Die Kirche war zuletzt verstärkt in den Medien, wegen eines Konflikts um einige Punkte der Gestaltung der "Heiligen Qurbana", also des Gottesdienstes im syro-malabarischen katholischen Ritus. Vor allem geht es um die Frage, ob der Priester die Eucharistie mit dem Gesicht zur Gemeinde zelebrieren soll oder dem Altar zugewandt. Diese Frage sorgt seit Jahrzehnten für Konfliktstoff in der Kirche.
Mitte 2021 beschloss die Synode der Kirche einen auch vom Vatikan gebilligten Kompromiss, wonach der Priester bis zum Hochgebet mit dem Gesicht zur Gemeinde am Altar steht, sich dann umdreht und sich erst zum Ende des Gottesdienstes wieder der Gemeinde zuwendet. Allerdings lehnen zahlreiche Priester und Laien den Kompromiss ab und bestehen darauf, dass die Priester alle Teile der Liturgie mit dem Gesicht zur Gemeinde feiern. Papst Franziskus hat erst vor wenigen Tagen bei einem Besuch von Großerzbischof Thattil im Vatikan zu einem Ende des Liturgie-Streits, zur Annahme des Kompromisses und zur kirchlichen Einheit gemahnt.
Thattil zeigte sich im Kathpress-Interview zuversichtlich, dass der Streit um die Liturgie gütlich beigelegt werden kann. Zudem werde der Konflikt größer gemacht, als er tatsächlich sei. Die Kirche habe 35 Diözesen, und nur in einer einzigen gebe es Streit. Dabei handelt es sich allerdings um die Erzdiözese Ernakulam, die größte Diözese im Bundesstaat Kerala, dem Ursprungsgebiet der Kirche. Der Großerzbischof ortete bei den Gegnern der Liturgie eine Mischung aus emotionalen Gründen und persönlichen Befindlichkeiten. Es handelt sich aber um eine vorübergehende Kontroverse.
Besorgter zeigte sich Großerzbischof Thatill über die zunehmend schwierigere Lage für religiöse Minderheiten in Indien. Indien wandle sich von einem multikulturellen Land immer mehr in einen hinduistisch geprägten Staat. Die von der Verfassung garantierten gleichen Rechte und Freiheiten aller Bürger seien bedroht. In Kerala, sei die Situation noch recht gut, hier sei das Christentum stark, in anderen Teilen Indiens sei die Situation aber längst schon sehr schwierig.
Das Programm des Großerzbischofs in Wien beinhaltete am Freitag einen Besuch im Stift Klosterneuburg und beim apostolischen Nuntius Erzbischof Pedro López Quintana. Am Samstag traf Thatill mit Kardinal Christoph Schönborn zusammen. Zudem standen Treffen mit den in Österreich wirkenden syro-malabarischen Priestern und Gläubigen zusammen.
Indische Kirche mit langer Tradition
Die Syro-Malabarische Kirche im Südwesten Indiens ist die größte der heutigen Kirchen und Gemeinschaften der Thomaschristen, die im 1. Jahrhundert durch den Apostel Thomas auf seinen Missionsreisen gegründet worden sein soll. Durch Verbindungen zur Assyrischen Kirche des Ostens feiert sie ihre Liturgie im ostsyrischen Ritus. Im Zuge der portugiesischen Kolonialisierung wurden die Thomaschristen zur Übernahme westlicher Formen und Hierarchien gezwungen und zerbrachen in mehrere Kirchen. Es gibt u.a. zwei katholische Kirchen der Thomaschristen: Neben den Syro-Malabaren besteht die kleinere Syro-Malankarische Kirche, die ihre Liturgie im westsyrischen Ritus feiert.
Die Syro-Malabarische Kirche ist eine eigenständige, mit Rom verbundene Kirche unter der Leitung eines Großerzbischofs und seiner Synode. Der Großerzbischof wird von der Synode der Kirche gewählt und vom Papst formell bestätigt.
Die Syro-Malabaren bilden nach den ukrainisch-griechisch-katholischen Gläubigen die zweitgrößte katholische Kirche "eigenen Rechts" - sowohl weltweit als auch in Österreich, wo sich eine größere Gruppe vor bereits mehreren Generationen angesiedelt hat, damals als Pflegekräfte ins Land geholt.
Neues Kirchenoberhaupt
Mar Raphael Thattil wurde am 1956 in Trichur geboren. Nach seiner Ausbildung im Seminar in Vadavathoor promovierte er am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom in orientalischem Kirchenrecht. Die Priesterweihe erfolgte 1980. 2010 wurde er von der Bischofssynode der Syro-Malabarischen Kirche zum Weihbischof von Trichur gewählt und zum Bischof geweiht. Am 10. Oktober 2017 wurde er, zeitgleich mit der Errichtung der neuen Eparchie Shamshabad, zum ersten Bischof dieser Eparchie ernannt. Am 9. Jänner 2024 wurde Raphael Thattil schließlich vom Synod zum Großerzbischof und damit Kirchenoberhaupt gewählt und die Wahl wurde noch am selben Tag von Papst Franziskus bestätigt.
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